Das Kernkraftwerk Tihange in Belgien kommt einfach nicht aus den Schlagzeilen. Wieder einmal musste das Kernkraftwerk im Juni abgeschaltet werden, weil es Probleme mit den Turbinen gab. Seit Anfang 2012 häufen sich die Probleme in diesem Kernkraftwerk (Link, öffnet in neuem Fenster).

Obwohl mehrere Materialfehler in den Reaktordruckbehältern nachgewiesen wurden, hat die belgische Atomaufsichtsbehörde Ende 2015 den weiteren Betrieb dieses schrottreifen Atomkraftwerks erlaubt.

2011 ereignete sich die Katastrophe von Fukushima durch den Tsunami, wobei der Großteil der radioaktiven Emissionen (79%) über dem Pazifik landete und nur knapp 19% auf Japan. Die restlichen 2% bekamen die Nachbarländer ab (Link, öffnet in neuem Fenster).

Katastrophen wie Tschernobyl oder das jüngste Ereignis von Fukushima lassen lebensbedrohliche Risiken der Kernenergie nicht mehr von der Hand weisen, wenn man sie nicht beherrscht, fahrlässig damit umgeht oder marode AKWs wie die Belgier betreibt!

Leider fühlen sich in der belgischen Sache nur Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz angesprochen und fordern, dass die beiden Meiler bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen vom Netz zu nehmen sind.

Eigentlich ist es eine Sache der Bundesregierung, denn radioaktiver Niederschlag macht nicht vor Landesgrenzen halt! Die belgischen Behörden lehnen die Stilllegung dieser Kernkraftwerke ab, da sie der Auffassung sind, dass diese beiden Kraftwerke die höchsten Sicherheitsanforderungen weiterhin erfüllen würden.

Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geben sich mit dieser Aussage jedoch nicht zufrieden. Die beiden Länder beschwerten sich sowohl bei der EU-Kommission in Brüssel, als auch beim ESPOO Implementation Committee in Genf über mangelhafte bis fehlende grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen. Angesichts der Grenznähe zu der Bundesrepublik Deutschland hätte Belgien diese Umweltverträglichkeitsprüfungen durchführen müssen, bevor die Laufzeit des belgischen Atomkraftwerke Tihange (Block 1) um zehn Jahre verlängert wurde.

Doch was passiert eigentlich bei einem Störfall in einem dieser beiden maroden Kraftwerke? Sollte es in Tihange zu Austritt von radioaktivem Material kommen, so rechnen Experten je nach Wetterlage bereits drei Stunden später mit radioaktiven Substanzen in Aachen. Ein Abregnen der radioaktiven Wolke ist in der Eifel und östlich von Köln am Fuße des Bergischen Landes zu erwarten. Wuppertal, Remscheid und Solingen wären demnach direkt nach fünf bis sechs Stunden betroffen. Wie schnell die länderübergreifende Kommunikation in diesem Fall funktionieren würde, bleibt ungeklärt.

Unabhängig davon haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie herausgefunden, dass mehr als 90% des freigesetzten Isotops Caesium-137 sehr schnell die 50 km-Marke passieren und ca. 50% dieses Isotops über 1.000 km zurücklegen. Somit hätte solch ein Unfall eine großflächige grenzüberschreitende Folge für alle Bundesländer (Link, öffnet in neuem Fenster)!

Aber leider kümmert es kaum Menschen in 500 km Entfernung, wenn ein Atomkraftwerk Probleme bereitet. Es ist „ja ach so weit weg“ und „es betrifft uns ja nicht!“ Hier ist dringend Aufklärungsbedarf bei der Bevölkerung von Nöten, dass selbst 1.000 km definitiv NICHT „weit weg“ sind und es sehr wohl uns alle betrifft! Fakt ist, dass die „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung“ (IPPNW) bereits 2012 die mangelnde Versorgung der Bevölkerung bei einem Unfall mit Freisetzung radioaktiver Spaltprodukte angemahnt hat. Bis heute hat sich in Sachen Katastrophenschutz nichts geändert!

Therapie, Vorsorge bei einem GAU? Aufgrund der Schnelligkeit der sich verbreitenden radioaktiven Wolke ein Witz! Die WHO empfiehlt 130 mg Kaliumiodid als Einmalgabe über ein bis zwei Tage vor dem Eintreffen der radioaktiven Wolke. Nimmt man jedoch Kaliumiodid drei Stunden nach dem Eintreffen der radioaktiven Wolke zu sich, so hat dieses Kaliumiodid nur noch eine Wirkung von 50% auf den Organismus.

Würde man das Kaliumiodid erst zehn Stunden später nach Eintreffen der radioaktiven Wolke nehmen, so hat sie keine schützende Wirkung mehr. Im Gegenteil! Durch die verspätete Einnahme dieses Medikaments würde das bereits aufgenommene radioaktive Jod noch langsamer ausgeschieden. Und ob dieses Medikament frühzeitig bei allen Bewohnern des betroffenen Bundeslandes ankäme ist fraglich, denn in einem Katastrophenfall wären die Autobahnen mit flüchtenden Bürgern verstopft. Und ob dann die Iodtabletten noch schnell genug verteilt würden ist doch sehr zweifelhaft.

Am Ende bleibt nur die Räumung der kontaminierten Flächen. Was dies für Städte wie Wuppertal, Solingen und Remscheid bedeuten würde, wollen wir uns besser nicht ausmalen.

Eines ist aber sicher: Das radioaktive Iod-131 hat eine Halbwertszeit von acht Tagen, Caesium-137 jedoch hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren. Somit sind die radioaktiven Kerne erst in 300 Jahren physikalisch zerfallen! Die bei einem Gau austretenden Edelgase (Krypton-85 und Xenon-133) tun ihr Übriges. Krypton-85 hat eine Halbwertszeit von „nur“ zehn Jahren!

Fazit: Belgien soll sich endlich um sichere Atomenergie kümmern und ihre Schrotthaufen entweder abschalten oder Instand setzen und nach sicheren deutschen Standards führen. Das Spiel mit dem Feuer hat bereits gezeigt, dass man sich die Finger verbrennt – und dabei leider auch die Finger vieler anderer Unschuldiger. Die, die aber täglich zündeln, kommen seltsamerweise immer mit einem blauen Auge davon!