1. Gesamteinnahmen

Der Entwurf zum Bürgerticket geht von einem Bedarf für den ÖPNV von ca. 145 Millionen Euro aus. Das ist der bisherige Stand der Kosten bei dem jetzigen Modell.

Diese Kosten müssen nun auf die Einwohner verteilt werden. Die Befürworter wissen selbst, daß dies nicht unproblematisch ist: „Da zum einen viele benötigte Daten für eine seriöse Berechnung der Einnahmen durch das Geschäftsgeheimnis der WSW verborgen bleiben und zum anderen Daten nicht in der benötigten Form vorliegen, soll mit einer Schätzung das Einnahme-Potential abgebildet werden. Zu den Daten, die nicht vorliegen, gehören zum Beispiel die Zahl der Einwohner*innen, deren Wohnsitz außerhalb des Erschließungsgebietes läge. Daher werden zunächst alle Einwohner*innen mit einbezogen.“ Bis auf den Genderstern soweit, so gut.

Die dann ermittelten Einnahmen gehen mit ca. 150 Millionen jedoch über die derzeitigen Kosten deutlich hinaus. Und das ist noch nicht alles. Denn hinzukommen sollen noch Einnahmen aus der Stellplatzabgabe, der Parkraumbewirtschaftung von WSW und Stadt (immerhin 2 Millionen Euro!), aus dem VRR-Ausgleich und den Parkplatzbußgeldern (10 Millionen Euro durch „Knöllchen“!), Pacht und Werbung der WSW und dem Verkauf von Sonderfahrscheinen und Fahrscheinen an Tagesgäste. Alles zusammen rechnet man mit 13 Millionen Euro.

Macht summa summarum etwa 160 Millionen Euro an Einnahmen. Wie ist das nun zu bewerten?

2. Anteil der Stadt

Kritisch ist schon der Anteil der Stadt zu sehen. Die Stadt soll zusätzlich ca. 12 Millionen Euro in den ÖPNV investieren – pro Jahr. Schade nur, daß der derzeitige Überschuß im Haushalt der Stadt nur 10 Millionen Euro beträgt, die Stadt also keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hätte, wenn sie dem Modell „Bürgerticket“ zufolge handeln würde. Das würde schon die Aufsichtsbehörde nicht zulassen. Und selbst wenn: Den Abbau der städtischen Schulden könnte man dann zunächst wohl vergessen. Halt – wird da der Befürworter des Bürgertickets rufen, die WSW gehört doch der Stadt und wenn die WSW 50 Millionen Euro spart, erhöht das doch den Gewinn. Den könnte die Stadt doch entnehmen. Ja, stimmt. Aber vorher wären da Steuern auf den Gewinn zu zahlen, Körperschaftsteuer 7,5 Millionen Euro. Die Gewerbesteuer können wir hier vernachlässigen, die ja sowieso die Stadt bekommt, also linke Tasche – rechte Tasche. So sind dann auf einmal von den 50 Millionen Euro nur noch 42 Millionen Euro übrig.

7,5 Millionen Euro entgehen also der Stadt (Geld ist ja nie weg, es hat nur ein anderer, in dem Fall die Bundesrepublik Deutschland). Aber diese Variante verdient deswegen, genauer betrachtet zu werden. Denn wenn derzeit der ÖPNV den Stadtwerken, also der Stadt, also den Bürgern gehört, zahlen wir für den ÖPNV 150 Millionen Euro. Wenn in Zukunft der ÖPNV der Stadt, also den Bürgern, direkt zugeordnet ist, zahlen wir 160 Millionen Euro und die WSW zahlen auch noch Steuern, die dem Stadtvermögen entgehen, und das erhöht die Kosten schon auf 167,5 Millionen Euro. In dem Konzept ist das völlig übersehen. Das passiert eben, wenn Konzept-Ziele auf Teufel komm raus erfüllt werden müssen, da interessieren genaue Rechnungen auf einmal nicht mehr. Es geht um zusätzliche 5 % der im Konzept veranschlagten Kosten, die einfach übersehen wurden. Anders gewendet sind das drei Viertel des jährlichen Haushaltsüberschusses der Stadt Wuppertal, die da verloren gehen. Diese Steuerzahlung zu vermeiden würde kompliziert, wenn nicht unmöglich sein.

Und ob die Stadt die Gewinne überhaupt entnehmen kann, ist doch auch noch fraglich. Fraglich, weil die WSW in schwereres Fahrwasser geraten sind. Wenn da der Gewinn in einem Jahr vielleicht ganz ausfällt, was will man denn dann entnehmen? Dann muß man von der Substanz leben oder Schulden aufnehmen. Das Vermögen der Stadt, also aller Bürger, schrumpft dann noch mehr.

Selbst wenn man optimistisch annimmt, daß Entnahmen möglich sind, dann wird man, das ist für einen Hauptanteilseigner normal, entnehmen was zu entnehmen ist. Günstigstenenfalls werden damit Schulden getilgt. Dann wäre das Ergebnis der Aktion „Bürgerticket“, daß die Bürger mit der Nahverkehrszwangsabgabe den Schuldenabbau ihrer Stadt finanzieren. Das wäre noch nicht das Schlechteste. Zu befürchten steht aber, daß das Geld für irgendeinen Kokolores verpulvert wird. Über diese Effekte muß man sich aber klar werden.

3. Verwendung der Mehreinnahmen

Aber schon die Einnahmen aus dem Anteil der Bürger übersteigen die jetzigen Kosten um mehrere Millionen. Was will man mit dem zusätzlichen Geld erreichen?

Die Vertreter des Konzepts wollen vor allem:

  • den 20-Minuten-Taktes werktags auch von 19 Uhr bis 20 Uhr,
  • den 20-Minuten-Takt auch samstags von 10 bis 18 Uhr,
  • Nachtbusse jede Nacht,
  • eine umfassende Prüfung der Netzgestaltung und ggf. Neukonzeption, z.B. die Anbindung von Ronsdorf, Hahnerberg und Vohwinkel (Bf) durch einen Expressbus (Burgholz-Express).

Das verursacht vor allem Personalkosten, evt. muß auch der eine oder andere Bus zusätzlich angeschafft werden. Aber da will man ja auf E-Busse umsteigen, mit Klima-Anlage – wir dürfen gespannt sein, wie lange die ohne Nachladen durchhalten (denn im Winter wird der Bus an jeder Haltestelle geöffnet und neue mit der Heizung zu wärmende kalte Luft strömt herein und im Sommer wird der Bus an jeder Haltestelle geöffnet und zu kühlende warme Luft strömt herein).

Insgesamt bedeutet dies zunächst eine Ausweitung des Angebots, aber eine Ausweitung ist noch keine notwendige Verbesserung. Die ergäbe sich, wenn es Umfragen oder Studien gäbe, die besagen, daß z.B. dringend der 20-Minuten-Takt ausgeweitet gehöre. Diese Studien fehlen aber. So scheint es eher dem privaten Wunschdenken der Verfasser des Konzeptes zu entsprechen, was da an Ausweitung im Konzept enthalten ist, nach dem Motto: „Was könnten wir denn noch so machen?“. Das aber ist doch gerade das Gegenteil von der Kompetenz, die das Konzept uns, z.B. durch einen Fahrgastbeirat, versprochen hat.

Im Übrigen fehlt im Konzept die Seilbahn zur Universität – welche Meinung hat man denn dazu? Denn wird die Seilbahn gebaut (80 Millionen Minimum plus jährliches Defizit von ca. drei Millionen), sind die Rechnungen zum Bürgerticket schnell Makulatur, und außerdem wird dann der Busverkehr ausgedünnt. Das aber wollte man ja gerade nicht, wie wir das Konzept verstanden haben. Die jährlichen Defizite entsprechen außerdem zufällig gerade dem Anteil, den die Bürger zusätzlich zu den jetzigen Kosten aufbringen sollen. Auch hier läßt das Konzept die versprochene Kompetenz vermissen.

4. Fazit

Das Finanzierungskonzept

  • gefährdet nach jetzigem Stand die Schuldentilgung durch die Stadt und sorgt dafür, daß dem Vermögen der Bürger ohne Gegenleistung 7,5 Millionen Euro verloren gehen,
  • führt günstigstenfalls zum Schuldenabbau bei der Stadt, falls sie die Überschüsse der WSW entnimmt, wird aber eher Begehrlichkeiten wecken, das Geld für minder Wichtiges auszugeben, sowie
  • berücksichtigt nicht den Bau der Seilbahn und steht somit auf tönernen Füßen.

Das bedeutet alles noch nicht eine Ablehnung des Konzeptes eines „Bürgertickets“, diese Kritikpunkte bestehen aber. Wir werden sie in einem späteren Beitrag den Pluspunkten des Konzeptes abwägend gegenüberstellen.