Heute morgen lief im Radio ein interessantes Interview: Ein Professor für Politik erzählte dem Moderator, daß mit der Ernennung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten die SPD einen gewaltigen Schub in den Umfragen bekommen hätte, so daß zu hoffen sei, daß die Wahl sich „in der Mitte des Parteienspektrums“, und nicht an den Rändern abspielen würde. Zwischen den Zeilen gelesen heißt dies: Man hofft, daß die Wähler Dank Martin Schulz brav wie eh und je ihr Kreuzchen irgendwo zwischen der Union, der SPD, der FDP, den Grünen oder notfalls auch der Linkspartei machen werden – nur bitte möglichst nicht bei der AfD. Alles klar, oder etwa nicht?

Nicht ganz, denn die Kernfrage wurde geflissentlich ausgeklammert: Warum um Gottes Willen bitte sollten die Bürger das tun? Glaubt denn wirklich jemand, die Wähler seien so unkritisch, denkfaul und uniformiert, daß sie die derzeit zelebrierten Martin-Schulz-Jubelfestspiele für bare Münze nehmen und ihr Kreuz bei der SPD machen würden, nur weil ein Herr Schulz plötzlich mit Messias-ähnlichen Titelbildern durch die Medien geistert? Mit Verlaub – aber das wäre wirklich eine Beleidigung des Denkvermögens der Wähler! Die Entscheidung, welcher Partei man seine Stimme gibt, sollte wohl von anderen Kriterien getragen sein als medialer Effekthascherei. Schauen wir also einen kleinen Moment genauer hin.

Die SPD hat derzeitigen haarsträubenden Zustände, meist in Regierungsverantwortung, tatkräftig mit herbeigeführt. Martin Schulz selbst hat als ehemaliger EU-Bürokrat kaum Erfahrungen in praktischer Politik und verkörpert weniger eine Führungsfigur als den Triumph der EU-Bürokratie. Glaubt man den Medien, so hat er während seiner Zeit im EU-Parlament fürstlich verdient und sich nicht zuletzt durch einen ausgeprägten Machtinstinkt ausgezeichnet (Link). Echte Leistungen, die die plötzlich steigenden Umfragewerte der SPD plausibel machen könnten, sind bei Martin Schulz bisher nicht auszumachen – wie auch, hat er doch die letzten 20 Jahre im Ausland verbracht und ist auf der innenpolitischen Bühne kaum in Erscheinung getreten. Sein plötzlicher Sinneswandel in Sachen Hartz-IV-Politik kann es ebenfalls nicht sein, denn die SPD hatte bereits seit Jahren Zeit, diese Verwerfungen zu beheben, und hat es nicht getan. Man kann sich also des Eindrucks kaum erwehren, daß hier ein reiner Personenkult zelebriert wird – in der Hoffnung, daß die Wähler darauf hereinfallen. Lassen Sie sich also nicht blenden – auch mit Martin Schulz hat die SPD keine Lösungen zu bieten, denn sie ist Teil des Problems.

Allerdings ist zu befürchten, daß EIN Schulz-Effekt nach der Wahl Wirklichkeit wird: Martin Schulz rückt neuerdings in der Flüchtlingspolitik kräftig nach links und will eine Beschränkung des Familiennachzuges für Syrer aufheben (Link). Das wiederum paßt allerdings bestens in das Bild, was wir von ihm haben: Mit Steuergeldern scheint Martin Schulz ausgesprochen großzügig zu sein (Link) – es ist ja nicht sein Geld, nicht wahr?